LUTZ DITTBERNER



Lutz Dittberner der Zeitzeuge


Zeitzeuge Am 14. August 1899 wird Lutz Dittberner in Dortmund geboren. Die Mutter stirbt bei der Geburt des dritten Kindes. Er ist der Älteste und übernimmt früh Verantwortung. Der Vater arbeitet bei der Dortmund-Hörder-Hüttenunion, der kleine Junge bringt ihm das Essen im Henkelmann zum Fabriktor und reicht es durch das Gitter. "Ich werde nie im Leben hinter solchen Gittern stehen!", schwört er sich. "Ich kritzelte und malte schon als Kind ständig. In der Schule ließ ich mir lieber den Hintern versohlen, als etwas Vaterländisches zu lernen. Die Glocke von Schiller lernte ich auswendig, weil der Lehrer es nicht wollte." Der Vater hat kein Verständnis für sein phantasievolles Kind "Du bist ein Drückeberger, ein Faulpelz!" Lutz Dittberner will ihm beweisen, dass er Arbeit nicht scheut und macht auf der Zeche "Glückauf Segen" in Wellinghofen, die schmutzigste Arbeit über Tage, die es gibt: er putzt die Waschkauen der Bergleute. Er meldet sich 1917 freiwillig zum Militär. Doch der grausame Krieg zerstört seine Seele.
Die Russen schicken ihn "zu Mama" die Amerikaner nehmen ihn für einige Monate in Gefangenschaft.
Sein Leben lang hat er eine Sympathie für Russland.

Im Gesangverein vergisst er die traumatischen Kriegserlebnisse. Er wohnt in Hörde und arbeitet in der Verwaltung der DHHU bis 1927. Dann kündigt er, um nicht mehr ein "Feierabendmaler" zu sein. Er belegt Fernkurse in der Mal- und Zeichenschule in Berlin-Dahlem, denn ein Studium an der Werkkunstschule kann er nicht bezahlen. In Soest im "Wilden Mann" trifft er den Künstlerkreis um Christian Rolfs und Eberhard Viegener, er hört, er übt und lernt! "Augen auf! Sehen, sehen, sehen. Eine gründliche Schule ist aber erforderlich!" Mit dem Fahrrad fährt er durch Norddeutschland und in die Heide. Er ist begeistert von der Künstlergemeinschaft in Worpswede, der Experimentierfreudigkeit, der geistigen Unabhängigkeit. 1932 wird von Ben Esleben in Dortmund die Künstlergemeinschaft "Junge Front" gegründet zu der Maler, Bildhauer, Schriftsteller, Komponisten, Architekten gehörten. Lutz Dittberner wird ihr Sprecher. Er will ein Künstlerdorf wie Worpswede gründen und kauft von der Bergwerksgesellschaft Lothringen in Bochum-Gerthe Land in Lücklemberg. 5000m² für 5000 Reichsmark. Die Kollegen von der Jungen Front finden die Idee und die Grundstücke wunderbar, doch sie scheuen das Risiko. Das Künstlerdorf entsteht nicht. 1937 ist Lutz Dittberners Haus bildschön und bezugsfertig.

Er feiert mit allen Helfern und Freunden ein großes Fest!

1936 soll sich die Junge Front ein "braunes Gewand" anziehen und "Gruppe Hellweg" nennen. "Mein Platz ist die Junge Front", erklärt er kategorisch. Dr. Marquart, der damalige Kulturdezernent lässt die Gruppe in Ruhe. 1939 bricht der 2. Weltkrieg aus, Lutz Dittberner wird sofort eingezogen und kommt nach Polen. Er ist begeistert von den Menschen und der Landschaft.

Ab 1943 ist er an der Westfront. Nach dem Krieg kommt er für einige Monate in der Normandie in Gefangenschaft.
Er schreibt: "Eng sind die Grenzen hinterm Stacheldraht". Es gibt Skizzen aus dem Lagerleben.

Nach dem Krieg sind Nicht-Parteimitglieder gefragte Leute. Einigen Nachbarn hilft er bei der Entnazifizierung, Parteien sind ihm immer suspekt, "wer etwas durch die Partei wird, ist nie frei." Leonie Reygers, die Leiterin des Ostwall Museums und ihre Vertreterin Annemarie Goers, besuchen ihn ab und zu in seinem Haus in Lücklemberg und nehmen Anteil an seiner künstlerischen Entwicklung. 1949 stellt er im Museum anlässlich seines 50. Geburtstages aus.

1950 eröffnet er in seinem Haus die "Tube", die 1. Künstlerkneipe weit und breit. Sie wird ein Treffpunkt offener, diskussionsfreudiger Menschen!
Mitte der 50er Jahre kämpft er gegen die Wiedereinführung des Wehrdienstes und wirbt für die Humanistische Union und den Friedensdienst.
Er malt Antikriegsbilder.

1960 wird er vom Klub der Kulturschaffenden in Leipzig eingeladen. Danach fährt er mit seinem Freund Hans Tombrock, dem "Vagabundenmaler" nach Ostberlin und besucht Bertold Brecht. Nun sagt man, Lutz Dittberner sei Kommunist.

1956 wird aus der "Interessengemeinschaft Dortmunder Künstler" der Dortmunder Künstlerbund (DKB) mit Lutz Dittberner. Er möchte auch junge talentierte Künstler aufnehmen. Dagegen sind einige Kollegen. Es entstehen zwei Gruppierungen. Im Januar die Dortmunder Gruppe, im April der DKB. In den 50er Jahren entsteht ein Umbruch in seiner Kunstauffassung. Er schreibt: "Wenn ein Künstler genügend Erfahrung gemacht hat, kann er auch die unsichtbaren Dinge im Bild gestalten." Er beginnt zu abstrahieren. Seine Kollegen sind ablehnend. "Ihre Stärke liegt im Gegenständlichen." (Auszug aus dem Brief v. DKB, 04.07.1958). Kompromisslos in seiner Kunstauffassung kündigt er seine Mitgliedschaft.

Im selben Jahr macht er eine große Ausstellung in der "Tube". Die Presse lobt nur seine realistischen Bilder.

1959 stellt er 100 Kohle-Tusche Zeichnungen im Stadthaus aus, die er in Dortmund und seinen Vororten von eindrucksvollen Motiven gezeichnet hat. Die Presse fällt über ihn her und nennt ihn einen "naiven Idyllenmaler". "Die schlechtesten Früchte sind es nicht, an denen die Wespen nagen!" (Oberbürgermeister Ewald Örshop im Brief vom 26.04.1959) Sein Freund Robert Rutenfranz, der Gründer der Wittener Musiktage für moderne Musik u.a. "zu uns Musikern sagt man: spiel mal einen zu Dir sage ich: los Alter mal mal einen!" Sein Ärger verraucht. Heute gibt es nur noch wenige dieser Zeichnungen.

Die produktivste Phase in Lutz Dittberners Künstlerleben sind die 60er Jahre. Seine großen Ölgemälde: "Urformen, Groteske Natur, Figurationen, Marabu und Esel, Großer Zoo, Eruption, Variationen" u. v. m. entstehen. Natürlich wird zu dieser Zeit kein einziges dieser abstrakten Bilder verkauft. Um sich über Wasser zu halten malt er weiterhin Landschaften, Heidebilder, Blumenstillleben, Aquarelle. Doch seine Gedanken sind bei den Variationen und Kompositionen. Außerdem gestaltet er Tortenteller, Käseschachteln, Pappdeckel zu interessanten Objekten. Verpackungen, die andere Leute wegwerfen, macht er zu Kunst. 1967 schließt er die "Tube" und eröffnet die "Galerie Dittberner".

Im vierteljährlichen Wechsel finden eigene Ausstellungen statt; aber auch junge Künstler haben ein Forum, zum 1. Mal an die Öffentlichkeit zu treten. 1974 beendet er die Galeristentätigkeit.

Seit 1976 lebt er im Altersheim in Sölde. Dort gestaltet er die unzähligen kleinen runden Bildchen "Die Eine Welt" und seine "Schätzkes". Bis zu seinem Tod am 22.01.1981 ist er ein unermüdlich schaffender und nachdenkender Zeitzeuge.